Von Cosenza in meinem letzten Blogbeitrag kehren wir heute wieder zurück in mein Büro in Salzburg. Wir widmen uns einem Thema, dem wir, wenn wir sprechen, eigentlich keine Aufmerksamkeit schenken, den sogenannten Diskursmarkern. Diskursmarker sind aber durchaus wichtig für die Strukturierung und die Organisation des Kommunikationsprozesses. Doch was genau versteht man unter diesem Terminus?
Diskursmarker haben keine wirkliche Semantik, sondern nur eine Funktion, nämlich jene, ein Gespräch zu steuern. Deutsche Diskursmarker sind z.B. „also“, „ähm“, „nur“, „und“, „aber“, „dann“, „weil“, „gut“, „genau“, usw. Wir verwenden diese Marker im Alltag ganz unbewusst, ohne darüber nachzudenken. Mit ihrer Hilfe beginnen wir ein Thema oder bringen ein Thema zu Ende, wir gewichten Argumente, verbinden Aussagen miteinander, präzisieren und korrigieren.
Auch Dirigent/innen verwenden solche Diskursmarker in Orchesterproben, um ihren Erklärungen und Anweisungen eine nachvollziehbare Struktur zu verleihen. Hier spielt auch der mehrsprachliche Charakter einer Orchesterprobe eine Rolle. In meinen Daten kann ich z.B. beobachten, dass in Orchesterproben von französischen Orchestern Gastdirigenten Diskursmarker in Italienisch oder Englisch einsetzen, also nicht in der eigentlichen Arbeits- oder Heimatsprache des Orchesters. Das ist deshalb interessant, da die Dirigenten eigentlich auf Französisch erklären oder korrigieren, ihnen aber die Diskursmarker in für sie leichteren Sprachen fast schon herausrutschen. Französisch ist für diese Gastdirigenten nicht Muttersprache, Italienisch und Englisch sind aber wohl Sprachen, in denen sich die Dirigenten wohlfühlen und die ihnen vertrauter sind als das Französische.
So kann ein Satz eines Dirigenten z.B. lauten: „So, je pense le plus important […] c’est chanter.“ Der Dirigierende leitet hier einen französischen Satz mit einem englischen Diskursmarker (fettgedruckt) ein. Gleichzeitig zeigt er mit dem Marker an, dass er das vorher Erklärte abschließen möchte und davon ausgehend nun zu einer Schlussfolgerung gelangt. Dem Dirigenten fehlt hier das französische Wort „donc“, das mit dem englischen „so“ gleichgesetzt werden kann. Diesen gap (‚Lücke‘) schließt er mit einem englischen Wort, dessen Gebrauch in diesem Fall keinen Aufwand für ihn bedeutet. Durch den kurzen Ausflug ins Englische – wenn auch nur für ein Wort – ist der Dirigent also in der Lage, einen gewissen Gesprächsfluss aufrecht zu erhalten und damit gleichzeitig wertvolle Probenzeit einzusparen.
Der Dirigent nimmt außerdem an, dass solche Diskursmarker in anderen Sprachen auch in den sprachlichen Repertoires der Musiker/innen vorkommen. Er geht von einem gemeinsam geteilten Wissen aus, in dem auch die korrekte Interpretation von Diskursmarkern (in Fremdsprachen, oder zumindest nicht in der Arbeitssprache des Orchesters) verankert ist. Diskursmarker, wie z.B. „yes“, werden auch eingesetzt, um die Musik zu unterbrechen. Die Musiker/innen sind durchaus in der Lage, solche Marker als Übergangssignale von der Musik in eine Unterbrechungsphase zu begreifen, denn sie hören in der Tat kurz danach auf zu spielen.
Hier kommt aber sicherlich auch der Gestik des Dirigenten eine bedeutende Rolle zu. Denn sobald ein/e Dirigierende/r möchte, dass die Musiker/innen aufhören sollen zu spielen, lässt er/sie die Hände nach unten sinken und bewegt den Dirigierstab/Taktstock nach unten. Deshalb könnte es durchaus sein, dass die Musiker/innen mehr die Gesten des/der Dirigierenden interpretieren und deuten, als die gleichzeitig geäußerten Diskursmarker.
Informieren Diskursmarker in anderen Sprachen die Musiker/innen in Orchesterproben also, oder verwirren sie sie doch eher? Was meint ihr, meine lieben Leserinnen und Leser? …
mm
P.S.: Ich wünsche allen meinen treuen Leserinnen und Lesern eine frohe und besinnliche Advents- und Weihnachtszeit! 🙂
Ein Kommentar zu “Diskursmarker in der Orchesterprobe – markieren sie, oder verwirren sie doch eher?”