Am vergangenen Wochenende hatte ich die Möglichkeit, mich selbst als Dirigentin in einer Probe auszuprobieren. Die Probe fand mit Klarinetten und Saxophonen in einer Musikkapelle statt, bei der ich selbst bereits als Klarinettistin mitgewirkt habe. Ich habe also dieses Mal meinen Platz von hinten nach vorne gewechselt und die Probe aus dem Blickwinkel einer Kapellmeisterin bzw. Dirigentin heraus wahrgenommen. In diesem Blogbeitrag möchte ich berichten, wie es mir dabei ergangen ist und wie sich das Wissen, das ich als Forscherin über die Interaktion in (Orchester)Proben habe, dabei geäußert hat.
Zunächst muss ich festhalten, dass ich eigentlich kein Fan davon bin, mich als Dirigentin vorne hinzustellen und anderen zu sagen, wie sie zu spielen haben, sondern ich fühle mich wohler in der Rolle als Musikerin. Trotzdem muss ich zugeben, dass ich Gefallen daran fand, meine Ideen und Interpretationen des jeweiligen Stücks den an der Probe beteiligten Musiker/innen mitzuteilen.
Dabei habe ich versucht, mit Kontrastpaaren zu arbeiten, so wie es auch die Dirigent/inn/en im Corpus zu meiner Dissertation machen. Nämlich habe ich meine präferierte und nicht präferierte Version einer bestimmten Stelle im Stück gegenübergestellt, um so den Unterschied zu verdeutlichen und näher an die bevorzugte Spielweise heranzukommen. Anders als die Dirigent/inn/en in meinem Corpus habe ich die beiden Versionen aber nicht vorgesungen, sondern mit meiner Klarinette, die ich dabei hatte, vorgespielt.
Außerdem habe ich sowohl verbal als auch body cues eingesetzt, um die Musik zu unterbrechen oder auch um sie wieder neu aufzunehmen. Um die Musik zu unterbrechen, habe ich verbal die Ausdrücke „ok“ und „stop“ eingesetzt, und gleichzeitig gestisch eine abwinkende Bewegung mit meiner rechten Hand gemacht. Um den Musiker/inn/en ein Zeichen dafür zu geben, dass sie nun wieder weiterspielen können, habe ich eingezählt und dabei gleichzeitig entweder geschnipst oder geklatscht.
Es lässt sich beobachten, dass solche verbal und body cues als Markierungen des Übergangs zwischen Spiel- und Besprechungsaktivitäten ziemlich einheitlich sind. Ich als Amateur- und Versuchsdirigentin setze ähnliche cues oder Zeichen ein, wie die Dirigent/inn/en in meinen Videos. Diese Zeichen sind fast schon universell verständlich, denn sie gleichen solchen, die auch in Alltagsgesprächen eingesetzt werden, vor allem um den Abschluss oder das Ende von etwas zu markieren (wie „ok“ oder „stop“). (Sie verhalten sich ähnlich wie Diskursmarker, siehe dazu den eigenen Beitrag.)
Das gilt auch für Gesten bzw. body cues. Ich habe diese Woche an einer Probe des Uniorchesters Salzburg teilgenommen, bei der die Dirigentin für die Unterbrechung der Musik wiederholt dieselbe Geste eingesetzt hat. Nämlich hat sie eine oder auch beide Hände mit den Handflächen nach vorne vor ihrer Brust oder vor ihrem Gesicht mit kleinen Bewegungen nach vorne und zurück bewegt. Die Geste gleicht der Stop-Geste, so wie sie auch Polizist/inn/en einsetzen, um ein Auto anzuhalten. Dieselbe Geste kommt in meinen Videos ebenfalls oft vor, sobald die Dirigent/inn/en die Musik zum Abbruch bringen möchten.
Es gibt also vielmehr Gemeinsamkeiten bei Dirigierenden, als man annehmen möchte. Es kamen nämlich auch in der Probe des Uniorchesters Kontrastpaare vor, und zwar entweder gesungen oder anhand von Erklärungen. Das zeigt, dass die Ergebnisse, die ich in meiner Dissertation erarbeite, nicht nur für Profi-Orchester relevant sind, sondern auch für Amateur-Orchester und Musikkapellen.
Und es hat sich für mich außerdem herausgestellt, dass ich durch die Arbeit an meiner Dissertation vielmehr in der konkreten Probensituation – sei es als Dirigentin oder als Musikerin – darüber nachdenke, was gerade geschieht und wie es passiert. Ich bin überzeugt, dass durch diese reflektierende und analysierende Perspektive heraus Proben sehr viel effizienter gestaltet werden können. Das war nämlich auch mein Ziel als Dirigentin in der Probe am vergangenen Wochenende.
mm