Hier auf meinem Blog habe ich bereits einige Eindrücke davon geteilt, wie das Arbeiten und Schreiben an meiner Doktorarbeit bzw. Dissertation aussieht. Allerdings hat mich noch nie jemand gefragt, was es genau bedeutet, eine Doktorarbeit zu schreiben. Fragen wie Was machst du den ganzen Tag? Wie sehen deine Arbeitsschritte aus? Wie bringst du die Gedanken und Ideen, die in deinem Kopf herumschwirren, zu Blatt? wurden mir bis jetzt noch nicht gestellt. Auf diese Fragen möchte ich in diesem Blogbeitrag eingehen. Das heißt, ich werde meinen Arbeitsalltag in kleine Abschnitte aufbröseln und damit aufzeigen, wie man – oder ich – eine Doktorarbeit schreibt(e).
Mein Tag am PC beginnt eigentlich immer bereits am Tag vorher, wenn ich meine To-Do’s für den nächsten Tag abstecke. Ich führe eine To-Do-Liste, die ich wöchentlich plane und dann Tag für Tag einzelne Aufgaben darin auswähle. Das heißt, am Freitag vorher plane ich meine To-Do’s für die Woche darauf und weiß dann meistens schon, welche Aufgaben ich am Montag abarbeiten werde. Am Montag nach getaner Arbeit überlege ich mir, was ich am Dienstag erledigen kann usw. Für heute habe ich mir beispielsweise vorgenommen, einen neuen Blogbeitrag zu verfassen, an einem Kapitel zur Erforschung der Kommunikation an Orchesterproben weiterzuarbeiten und einen Teil eines Corpus mit italienischen Speisekarten zu erstellen, das Eva Lavric und ich für unseren gemeinsamen Vortrag über Mehrsprachigkeit in Speisekarten im Dezember in Zwickau benötigen (siehe auch den Blogbeitrag I’m back!).
Sobald ich mit dem Schreiben dieses Beitrags hier auf meinem Blog fertig bin, werde ich mich mit dem Kapitel zur Kommunikation in Orchesterproben auseinandersetzen. Dabei handelt es sich um eine Sammlung von bereits bestehenden, relevanten Studien, die sich damit beschäftigen, wie in der Orchesterprobe kommuniziert wird. Für einen solchen Literaturüberblick muss zunächst einmal relevante Literatur gesucht und gesichtet werden. Das heißt, dieser erste Prozess ist mit sehr viel Recherchieren, Lesen, Überfliegen, Markieren und Notizen machen verbunden. Hier entstehen kurze Mini-Rezensionen in Stichworten über die Aufsätze und Studien, die dann in einem zweiten Schritt in eine nachvollziehbare Reihenfolge gebracht und in einem dritten Schritt zu einem Text verarbeitet werden müssen. Den ersten Schritt habe ich bereits letzte Woche abgeschlossen, also geht es heute in die zweite Runde, in der ich meine Stichworte in eine Form bringe und daraus einen Text konzipiere. Mit diesem Kapitel werde ich mich dann nicht nur heute, sondern auch noch in den nächsten Tagen beschäftigen.
Solche Kapitel schreiben sich relativ leicht und schnell, wohingegen Abschnitte, in denen es darum geht, das Videomaterial aus den Orchesterproben zu transkribieren und zu analysieren, (viel) mehr Zeit und Energie in Anspruch nehmen. Wenn ich z.B. einen Videoausschnitt analysieren möchte, dann grenze ich zuallererst ab, wie lang er sein soll bzw. von wo bis wo in der Aufnahme ich transkribieren werde. Mit dem von mir verwendeten Transkriptionsprogramm (ELAN) kann ich solche Segmente auswählen und markieren und dann auch mehrmals abspielen. Habe ich einen Abschnitt ausgewählt, so transkribiere ich in einem ersten Schritt nur das, was gesagt wird – oder im Fall der Orchesterprobe, was der/die Dirigent/in sagt. Dafür stelle ich mir die Geschwindigkeit auf die Hälfte ein und teile den Abschnitt nochmals in kleinere Segmente, die ich mir wiederholt anhöre und dabei das Verbale notiere. Dazu gehören auch gesangliche Passagen, Pausen, Versprecher, hörbares Ein- und Ausatmen, prosodische Hervorhebungen, Akzente sowie Änderungen in der Satzintonation. Also alles, was aus dem Mund des/der Dirigenten/in herauskommt. In einem zweiten Schritt kommt alles Nonverbale dran: Ich vermerke, was der/die Dirigent/in mit seinen/ihren Händen/Armen macht, welche Gesichtsausdrücke er/sie einsetzt, in welche Richtung er/sie sich beispielsweise mit seinem/ihrem Oberkörper dreht, wenn er/sie mit einer bestimmten Instrumentengruppe spricht und wohin er/sie blickt (z.B. auf die Partitur oder zum Orchester). Alle diese Teile gemeinsam bilden dann das Transkript zum Videoausschnitt.
Wenn ich das fertige Transkript vor mir habe, gehe ich es Zeile für Zeile durch und halte in Stichworten meine Beobachtungen fest. Da kann z.B. geschrieben stehen: „Z03: Dirigent lokalisiert Stelle X in der Partitur, blickt auf Partitur und hält rechten Zeigefinger ausgestreckt in die Richtung der Hörner“. Ausgehend von diesen stichwortartigen Feststellungen verfasse ich eine Analyse zum Transkript. Am Ende einer jeden Analyse halte ich die daraus resultierenden, wichtigsten Erkenntnisse fest und setze sie in einen Zusammenhang zum nächsten Beispiel bzw. zum darauffolgenden Transkript inkl. Analyse. Beim nächsten Beispiel gehe ich in derselben Art und Weise vor, bis ich – meiner Ansicht nach – genug Beispiele für ein bestimmtes Phänomen, wie z.B. Lokalisieren in Orchesterproben, gesammelt und analysiert habe.
So kann man sich in etwa vorstellen, was ich den ganzen Tag mache und wie ich meine Gedanken zu Papier bringe. Dabei vergeht die Zeit meistens wie im Flug und mein Arbeitstag ist schneller zu Ende als gedacht. Bevor ich meinen PC wieder ausschalte, aktualisiere ich meine To-Do Liste für den nächsten Tag und plane ein, für welche Aufgaben ich dann Zeit haben werde. Wenn ich untertags auf einen interessanten Aufsatz stoße oder mir einfällt, dass ich diesen oder jenen Artikel vielleicht noch lesen sollte, um evtl. auch einen anderen Blick auf meine Daten und auf meine Analysen zu bekommen, so drucke ich ihn mir aus und nehme ihn mir als Abend- oder Bettlektüre mit nach Hause. Beim Lesen markiere ich mir dann jene Stellen, die ich tags darauf, wenn ich wieder an meiner Dissertation sitze, gegebenenfalls hier und da noch einbauen bzw. einen Verweis dazu herstellen kann. So endet mein Arbeitstag… manchmal nehme ich ein Stück weit meiner Doktorarbeit auch mit bis in die Nacht, wenn ich irgendwann aufwache und mir Ideen in den Kopf schießen, die meistens die besten und kreativsten sind, und die ich mir zum Glück auch in den allermeisten Fällen bis zum nächsten Tag merken kann… 😉
mm