Mannheim, die zweite. Von Donnerstag bis heute war ich ein weiteres Mal in Mannheim, der Quadratestadt. Die Baustellen von meinem letzten Aufenthalt waren immer noch in Arbeit, und auch das Wetter glich jenem vom letzten Jahr im Mai: grau in grau, Regen und dicke Wolken. Trotzdem war mein Aufenthalt in Mannheim sehr interessant, spannend und aufschlussreich, und gleichzeitig auch ein wenig erholsam… 🙂 Hier im Folgenden nun mehr dazu…
Am gestrigen Freitag, 23. März, stand mein Vortrag gemeinsam mit Anna W. aus Halle auf der 21. AGF (=Arbeitstagung für Gesprächsforschung) an. Unser Vortrag konzentrierte sich auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede hinsichtlich Instruktionen und Korrekturen in Theater- und Orchesterproben. Wir wählten als Thema Instruktionen und Korrekturen aus, da diese Art von Handlungen zentral im Probengeschehen sind. Die gesamte Probe läuft nämlich so ab, dass sich Anweisungen der Regie oder des Dirigenten (im Folgenden spreche ich vom Dirigenten, da im Videobeispiel, das ich auf der Tagung präsentiert habe, Antony Hermus als Dirigent auftritt) mit Spielangeboten der Schauspieler/innen bzw. Musiker/innen abwechseln. Dieselbe Stelle kann im Anschluss auch ein weiteres Mal (oder auch mehrere Male) korrigiert werden, bevor der Fokus auf eine andere Stelle – die nach Ansicht der Regie oder des Dirigenten korrekturbedürftig ist – gelegt wird.
Sowohl Regisseur/in als auch Dirigent/in haben während der Probe eine Autoritätsrolle inne, denn sie können die Probe an jeder erdenklichen Stelle unterbrechen, um Anweisungen zu geben. Somit gibt es – im Sinne der Konversationsanalyse – keine transition relevant places bzw. redeübergaberelevante Stellen bzw. können diese auch überall sein. In einem Alltagsgespräch hingegen geben sich die Beteiligten klare Zeichen, wann der Wechsel von einem turn oder Redebeitrag zu einem anderen erfolgen kann. In Proben zeigt die Regie oder der Dirigierende durch body oder verbal cues an, dass das Spiel oder die Musik aufhören soll und es zu einer Unterbrechung kommt.
In diesen Unterbrechungen tauchen sowohl verbale, als auch multimodale Praktiken auf, um Instruktionen und Korrekturen zu geben. Sie können sich auf technische Aspekte beziehen, wie z.B. Gänge, Blicke, Körperlichkeit, bereits erarbeitete Handlungen usw. im Theater, oder Anweisungen zum Tempo, zum Zusammenspiel oder zur Intonation im Orchester. Stärker vorhanden sind in der Orchesterprobe jedoch Anweisungen, die auf die Interpretation des Stücks ausgerichtet sind: die Spielweise, dynamische Hervorhebungen, oder die Hinführung zu neuen musikalischen Themen.
Anna W. und ich haben festgestellt, dass sich vor allem hinsichtlich der verbalen Praktiken mehrere Gemeinsamkeiten zwischen Theater- und Orchesterprobe ergeben. Sowohl im Theater als auch im Orchester arbeiten Regie und Dirigent mit Erklärungen, Rechtfertigungen, Wiederholungen, Metaphern, Vergleichen, Kontrasten, indirekten Fragen, usw. Wo sich hingegen Unterschiede zeigen, das sind die multimodalen Praktiken. Während im Theater die Regie mehr vormacht, singt im Orchester der Dirigent mehr vor. Das Vorsingen kann dabei zwei unterschiedliche Funktionen haben: zum einen kann es dazu dienen, eine bestimmte Stelle zu lokalisieren, zum anderen kann der Dirigent durch das Vorsingen angezeigt werden, wie – oder wie auch nicht – eine Stelle im Stück gespielt werden soll. In einer Datensitzung am 4. April an der Uni Innsbruck werde ich das Vorsingen der Dirigierenden in meinem Corpus zur Diskussion stellen. Dabei werde ich mit anderen Forscher/innen untersuchen, welche weiteren Funktionen das Vorsingen in der Orchesterprobe haben kann, an welchen Stellen die Praktik des Vorsingens eingesetzt wird und wie die Musiker/innen auf das Singen reagieren. Die Ergebnisse dieser Datensitzung werde ich dann sicherlich hier auf meinem Blog noch darlegen… Deshalb möchte ich auch an dieser Stelle nicht weiter auf das Singen eingehen… 🙂
Was haben Anna und ich noch festgestellt bzw. erarbeitet? Wir haben eine für uns brauchbare Definition von Instruktionen erarbeitet, nämlich können Instruktionen unserer Ansicht nach als Durchführungsanweisungen der gewünschten Umsetzung bezeichnet werden. Instruktionen haben eine Art Doppelfunktion: sie können inhaltlich orientiert sein und beschreiben, wie – oder wie auch nicht – eine Stelle gespielt werden soll, oder interaktionsorganisatorisch verankert sein und bestimmen, was als Nächstes geschehen soll. Außerdem können Instruktionen in Proben nicht nur in Unterbrechungen vorkommen, sondern auch im Spiel bzw. während der Musik, wobei sie in letzterem Fall nur noch als verkürzte Versionen der bereits vorher ausführlich explizierten Anweisung in der Unterbrechung auftauchen.
Diesen Unterschied zwischen Instruktionen in Unterbrechungen und Instruktionen im Spiel habe ich auch bereits in der letzten Datensitzung in Innsbruck im Februar mit den dort Anwesenden diskutiert. Da in diesem Beitrag leider kein Platz mehr für einen Bericht darüber ist, werde ich einen meiner weiteren Beträge diesem Thema widmen…
Soviel zum Vortrag in Mannheim…es gäbe noch mehr zu erzählen, aber ich möchte die Leser/innen dieses Blogs nicht überstrapazieren… 🙂
Ansonsten habe ich – wie bereits erwähnt – meine zwei Tage in Mannheim genossen: Ich bin ein wenig durch die Stadt geschlendert, habe mir mit Anna und noch zwei Forschungskollegen ein Mittagessen beim Afghanen schmecken lassen und dabei neue Pläne/Projekte geschmiedet, und natürlich durfte ein Abstecher im Café Binokel nicht fehlen, wo man echt einen guten Kaffee trinkt ;-). Und nun sitze ich schon wieder im Zug Richtung Heimat, wo am Montag wieder der Alltag auf mich wartet… 🙂
mm