…oder: me and my laptop :-). Thema: Mehrsprachigkeit. Immer noch. Ja, denn das Thema Mehrsprachigkeit gestaltet sich als sehr komplex und vielschichtig. Und es gilt, dem wilden Chaos an unterschiedlichen Sprachen und Codes, die in einer Orchesterprobe für die Kommunikation genutzt werden, eine Struktur zu geben oder es zumindest zu versuchen…
Dazu zuerst ein kurzer Transkriptausschnitt aus einer Probe des Orchestre de Paris mit dem italienischen Dirigenten Gianandrea Noseda:
Was fällt hier hinsichtlich Sprachverwendung auf? Zunächst muss festgehalten werden, dass die Muttersprache des Dirigenten Italienisch ist. Gleichzeitig ist Italienisch auch die Sprache der Musik, d.h. jene Sprache, in der die musikalischen Fachtermini verankert sind. In unserem Beispiel bzw. Transkript sind das Begriffe wie diminuendo, ritenuto, vibrato oder piano. Außerdem gilt es zu bedenken, dass es sich um ein französisches Orchester mit Standort in Paris handelt, mit dem Gianandrea Noseda als Gastdirigent während einer Woche zusammenarbeitet und ein Konzert vorbereitet.
Es kann also angenommen werden, dass die Arbeitssprache des Orchesters grundsätzlich Französisch ist – sei es in Proben als auch für die Administration – und dass Italienisch einen speziellen Status in der Probenkommunikation inne hat, da es als Fachsprache gehandelt wird. Für den Dirigenten hingegen gestaltet sich die Sprachsituation genau umgekehrt, denn Italienisch ist seine Muttersprache und Französisch eine Fremdsprache. Deshalb nimmt in seinem sprachlichen Repertoire* die französische Sprache eine spezielle Rolle ein.
Last but not least spielen auch die sprachlichen Repertoires der Musiker/innen mit eine Rolle, denn ein (französisches) Orchester kann sich aus Musiker/innen zusammensetzen, die aus verschiedenen Ländern stammen und unterschiedliche Muttersprachen haben. Bei den meisten Musiker/innen wird also auch Italienisch einen speziellen Status in ihrem Repertoire inne haben, nämlich als Sprache, die sie vielleicht erst im Laufe ihrer musikalischen Ausbildung gelernt haben.
Das Thema Mehrsprachigkeit sowie die Frage nach der Sprachverwendung in der Orchesterprobe müssen also immer in Relation zu den sprachlichen Hintergründen der Beteiligten betrachtet werden. Vor diesem Hintergrund wird es auch möglich, eine Art Basissprache auszumachen. In unserem Beispiel kann Französisch als Base Code bezeichnet werden, wenn auch als sehr fragile Basis: Der Dirigent bemüht sich Französisch zu sprechen, er fällt aber immer wieder auf italienische oder englische Ausdrücke zurück. Hier kann noch darüber diskutiert werden, ob nicht auch Italienisch als Basissprache gehandelt werden kann, da Italienisch als Fachsprache unweigerlich in einer Orchesterprobe vorkommen muss. Englisch wiederum hat speziellen Status, die Sprache fungiert als Lingua Franca, auf die zurückgegriffen werden kann und auch wird.
Die drei Sprachen können also getrennt voneinander betrachtet werden, oder auch als Bündel, in dem sie alle gemeinsam einen Base Code bilden: Französisch stellt dabei den zentralen Strang dar, Italienisch und Englisch fließen nebenher immer mit.
Soviel zu meinen Überlegungen zu Mehrsprachigkeit, Sprachverwendung und Basissprache. In meinem nächsten Beitrag möchte ich nochmals auf das obige Transkript eingehen und in einer Analyse detaillierter auslegen. Dabei möchte ich mir vor allem die Stellen ansehen, an denen der Dirigierende in eine andere Sprache wechselt, und mögliche Gründe bzw. Hypothesen zu diesen Gründen anstellen.
Denn nur so kann dem wilden Mix an Sprachen und Codes eine annähernd akzeptable Struktur verliehen werden…
mm
*Ein sprachliches Repertoire umfasst alle Sprachen – aber auch Dialekte, Stile, Register, Codes und Routinen – über die ein Sprecher/eine Sprecherin verfügt.
Faszinierend…
Irgendwie erinnert mich das an den einen Mönch in dem Film „Der Name der Rose“, der auch so einen Sprachenmix benutzt…:-)
Interessant ist natürlich auch, dass die Musiker/innen das ja irgendwie verstehen und umsetzen können.
Viele Grüße
Birte
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